Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden (§ 91)

Die Aufsichtsbehörde wird durch die Möglichkeit der Prüfung von Bescheiden in die Lage versetzt, von sich aus deren Gesetzmäßigkeit zu prüfen, wobei sie unter Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde eine entsprechende Interessensabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Schonung erworbener Rechte Dritter vorzunehmen hat.

Demnach können in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs ergangene rechtskräftige Bescheide von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen in Handhabung des Aufsichtsrechts aufgehoben werden, wenn der Bescheid

  • von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde;
  • einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde;
  • tatsächlich undurchführbar ist oder
  • an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

Die Gründe für die Aufhebung eines Bescheides sind gleichlautend mit den Nichtigkeitsgründen des AVG; sie bilden hier aber eine eigenständige Vollzugsnorm. Bei Vorliegen dieser Gründe ist auch der Gemeinderat als Oberbehörde ermächtigt, Bescheide aufzuheben.


Von einer unzuständigen Behörde ist ein Bescheid beispielsweise dann erlassen, wenn er etwa an Stelle des in einer bestimmten Angelegenheit konkret zuständigen Gemeinderates vom Bürgermeister erlassen wird, die Anstellung eines Gemeindebeamten nach dem Gemeindebedienstetengesetz rechtswidrigerweise durch den Bürgermeister erfolgt, oder wenn der Bescheid unter dem Titel der an sich zuständigen Behörde von einem unzuständigen Organ erlassen (unterfertigt) wurde (Bescheid des Gemeinderates wird mit der Fertigungsklausel "Der Bürgermeister" vom Bürgermeister oder vom Vizebürgermeister unterschrieben).


Eine "nicht richtig zusammengesetzte Kollegialbehörde" liegt beispielsweise dann vor, wenn die Wahl zum Gemeinderat oder zum Gemeindevorstand in gesetzwidriger Weise erfolgt.


Der Tatbestand eines strafgesetzwidrigen Erfolges würde herbeigeführt, wenn ein Bescheid jemanden zu einer Handlung "berechtigt", deren Ausführung gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoßen würde.


Mit Nichtigkeit bedrohte Fehler sind solche, die in verschiedenen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich als solche bezeichnet sind; z.B. die Erteilung einer Baubewilligung ohne Bauplatzerklärung, oder die Erteilung einer Baubewilligung ohne mündliche Verhandlung.


Prüfungsvoraussetzung ist Rechtskraft des Bescheides
Voraussetzung für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden ist es, dass rechtskräftige Bescheide vorliegen. Ein Bescheid ist (formell) rechtskräftig , wenn

  • der Bescheid vom Gemeinderat erlassen worden ist,
  • der Bescheid vom Bürgermeister erlassen und dagegen kein Rechtsmittel erhoben oder verspätet erhoben (und daher als unzulässig zurückgewiesen) worden ist.

Prüfung nur von Amts wegen
Die Prüfung der Bescheide kann nicht über Antrag erfolgen, sondern nur von Amts wegen. Stellt die Aufsichtsbehörde die Gesetzwidrigkeit von Bescheiden fest, dann können sie von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden, d.h. die Aufsichtsbehörde ist zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet zur Aufhebung solcher Bescheide, und zwar auch nicht zur Einleitung eines Prüfungsverfahrens; diesbezüglich besteht auch kein Rechtsanspruch.
Die Gesetzwidrigkeit eines Bescheides kann sich auch daraus ergeben, dass der dem Bescheid zugrunde liegende Gemeinderatsbeschluß gesetzwidrig ist, da der Anspruch auf Gesetzmäßigkeit des Bescheides unteilbar ist und sich auch auf die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens zur Willensbildung der den Bescheid erlassenden Organe bezieht.


Prüfungsergebnis
Das Ergebnis der Prüfung der Aufsichtsbehörde hat in Form eines Bescheides zu ergehen. Der Bescheid kann mittels Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht angefochten werden. Eine Säumnisbeschwerde kommt begrifflich nicht in Betracht, da eine zeitliche Beschränkung für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit nicht gegeben ist.


Nach drei Jahren keine Aufhebung möglich
Hinsichtlich der Aufhebung von Bescheiden wegen Gesetzwidrigkeit besteht eine Befristung insoweit, als nach Ablauf von drei Jahren nach dessen Erlassung ein Bescheid, der von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wird, nicht mehr aufgehoben werden darf. Hinsichtlich der übrigen Gründe (strafgesetzwidriger Erfolg, tatsächliche Undurchführbarkeit, Nichtigkeitsfehler) ist eine Aufhebung zeitlich unbeschränkt möglich .