Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Beschlüssen (§ 90)
Die Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit von Beschlüssen steht der Aufsichtsbehörde zu. Beschlüsse, die Gesetze und Verordnungen verletzen, kann die Aufsichtsbehörde aufheben.

Prüfungsmaßstab ist die „Gesetzmäßigkeit“ von Beschlüssen; die Beschlüsse sind daraufhin zu überprüfen, ob sie Gesetze und Verordnungen des Landes oder Bundes verletzen, einschließlich der von der Gemeinde selbst erlassenen Rechtsnormen (ortspolizeiliche Verordnungen, sonstige Rechtsverordnungen).

Gegenstand der Prüfung auf die Gesetzmäßigkeit sind Beschlüsse sämtlicher Gemeindeorgane (Gemeinderat, Gemeindevorstand, Ausschüsse).

Zuständige Aufsichtsbehörde ist die Bezirkshauptmannschaft.


Inhaltliche Art der zu überprüfenden Beschlüsse
Dem Inhalte der Beschlüsse nach sind sowohl solche in Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung als auch in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde der Überprüfung zugänglich, also z.B. Gemeindevoranschlag, Rechnungsabschluß, Wahl des Bürgermeisters und der Mitglieder des Gemeindevorstandes, Mißtrauensvotum, Selbstauflösung des Gemeinderates.

Von der Prüfung ausgeschlossen sind Verordnungen und Bescheide.
Allerdings können Beschlüsse, die zwecks Erlassung eines Bescheides oder einer Verordnung gefasst werden und die noch nicht ausgefertigt (erlassen) oder kundgemacht sind, sehr wohl in einem gesonderten Verfahren geprüft werden.


Prüfung einer Wahl
Die Berechtigung zur Prüfung der Wahl des Bürgermeisters oder der Mitglieder des Gemeindevorstandes ergibt sich daraus, dass auch eine "Wahl" ein Abstimmungsvorgang ist, dessen Gesetzmäßigkeit zu prüfen ist. Hiebei ist es nicht von Belang, wenn die Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes auch gemäß der Gemeindewahlordnung angefochten werden kann. Das subjektive Recht einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des Gemeinderates entbindet die Aufsichtsbehörde nicht, eine objektive Rechtswidrigkeit zu prüfen.

Dasselbe gilt auch hinsichtlich des Mißtrauensvotums gegen den Bürgermeister oder die übrigen Mitglieder des Gemeindevorstandes, denn sie haben ein Recht auf ordnungsgemäße Durchführung eines Verfahrens.

Im übrigen ergibt sich die Berechtigung zur Prüfung eines als "Wahl" bezeichneten Beschlusses auch aus folgenden Überlegungen: Jeder Staatsbürger hat in Verfolgung eines ihm auf Grund eines Gesetzes zustehenden Anspruches das Recht auf ein "Verfahren vor dem gesetzlichen Richter". Das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn ein zur Entscheidung berufenes Kollegialorgan nicht richtig zusammengesetzt ist. Ein Bescheid, der von einem solchen Organ erlassen wird, kann daher vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben werden. Daher wird auch die Aufsichtsbehörde eine solche objektive Gesetzwidrigkeit von amts wegen zu prüfen haben.


Prüfung des Voranschlages
Sofern sich bei der Prüfung des Beschlusses über den Voranschlag eine Rechtswidrigkeit nur des außerordentlichen Teils ergibt, kann sich die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses - zwecks Vermeidung unnötigen administrativen Aufwandes - auf diesen Teil des Voranschlags beschränken und jenen über die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben unberührt lassen.


Trotz Prüfungsverfahren kann Beschluss vollzogen werden
Die Gemeinde darf trotz des bereits von der Aufsichtsbehörde eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Beschlusses diesen vollziehen. Obgleich dieser Umstand die Effektivität der Gesetzmäßigkeitsprüfung beeinträchtigt, nimmt diese Auslegung Bedacht auf die Eigenverantwortlichkeit und die freie Selbstbestimmung der Gemeinde, wie dies allgemein für die Handhabung des Aufsichtsrechtes der Aufsichtsbehörde festgelegt wird.


Vorläufige Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit
Im Zuge des Prüfungsverfahrens kann die Aufsichtsbehörde die vorläufige Entscheidung treffen, dass mit der Durchführung des Beschlusses innezuhalten ist.

Dieses Sistierungsrecht der Aufsichtsbehörde ist nur unter zwei Voraussetzungen möglich:

  • wenn eine baldige Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses nicht möglich und
  • wenn Gefahr im Verzug gegeben ist.

Diese Voraussetzungen hat die Aufsichtsbehörde im Bescheid darzutun; ob diese tatsächlich vorliegen, unterliegt - im Falle der Anfechtung - der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes (Verfassungsgerichtshofes).

Der Bescheid der Aufsichtsbehörde des Inhaltes, dass mit der Durchführung des Beschlusses innezuhalten ist, löst keine Entscheidungspflicht aus. Im aufsichtsbehördlichen Verfahren sind zwar die Bestimmungen des AVG anzuwenden, doch werden aufsichtsbehördliche Maßnahmen von Amts wegen gesetzt. Die Entscheidungspflicht wird aber erst über Anträge von Parteien und Berufungen begründet. Der Bescheid der Aufsichtsbehörde ist sofort anfechtbar. Erst nach erfolgter Anfechtung ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Einlangen des Rechtsmittels, den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, geht auf schriftlichen Antrag der Gemeinde die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (Landesregierung) über, deren Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof anfechtbar ist. Bei Säumnis der Oberbehörde ist Säumnisbeschwerdean den Verwaltungsgerichtshof zulässig.


Prüfung bereits vollzogener Beschlüsse
Bei der Prüfung eines bereits vollzogenen Beschlusses - der nicht auf die Erlassung eines Bescheides oder einer Verordnung tendiert - hat die Aufsichtsbehörde unter Bedachtnahme darauf, dass das Aufsichtsrecht unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter auszuüben ist, abzuwägen, ob der Rechtssicherheit gegenüber Dritten der Vorzug gegenüber der Gesetzmäßigkeit eines Beschlusses zu geben und demnach der gesetzwidrige Beschluss, auch unter Bedachtnahme auf die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde, nicht aufzuheben ist. Diese Wertung wird besonders augenscheinlich bei Beschlüssen des Gemeinderates, die zivilrechtliche Verpflichtungen der Gemeinde nach sich ziehen. Hier kann sich der Dritte, der alle formellen Voraussetzungen für eine rechtsgültige Verbindlichkeit der Gemeinde geprüft hat, auf das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand berufen, da ihm nicht zugemutet werden kann, auch noch die materielle (inhaltliche) Gesetzmäßigkeit der Verpflichtung der Gemeinde zu prüfen.


Aufhebung von Beschlüssen
Die Aufsichtsbehörde hat, wenn sie die Gesetzwidrigkeit eines Beschlusses (im Bezug auf Gesetze und Verordnungen) festgestellt hat (sei es hinsichtlich der Verletzung von Verfahrensvorschriften, sei es hinsichtlich der Mißachtung materiell-rechtlicher Vorschriften), den betreffenden Gemeinderatsbeschluß aufzuheben; diese Konsequenz steht nicht im Ermessen der Aufsichtsbehörde. Daraus und aus dem die gesamte Verwaltung tragenden Legalitätsprinzip folgt aber gleichzeitig, dass die Aufsichtsbehörde auch von sich aus, also vom Amts wegen, entsprechende Prüfungen aus Anlaßfällen vorzunehmen hat.

Das Ergebnis der Prüfung der Aufsichtsbehörde hat in Form eines Bescheides zu ergehen. Der Bescheid kann mittels Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht angefochten werden.
Eine Säumnisbeschwerde kommt begrifflich nicht in Betracht, da eine zeitliche Beschränkung für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit nicht gegeben ist.


Rückgängigmachung von Rechtsakten
Die Organe der Gemeinde sind verpflichtet, den der Rechtsanschauung der Aufsichtsbehörde entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Diese Verpflichtung bedeutet, dass alle jene Rechtsakte rückgängig zu machen sind, die im Gefolge des aufgehobenen Beschlusses gesetzt worden sind, somit also jenen Rechtszustand wieder herzustellen, der vor der Beschlußfassung geherrscht hat. Dies kann in einer neuerlichen, geänderten Beschlußfassung, aber auch in der Unterlassung der Beschlußfassung in der betreffenden Sache überhaupt bestehen.