Ersatzvornahme (§ 92)
Die Ersatzvornahme ist ein schwerwiegender Eingriff in die Gemeindeautonomie, der dadurch gerechtfertigt ist, dass die Selbstverwaltung nicht nur ein Recht, sondern als Teil der staatlichen Verwaltung auch eine Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes beinhaltet.
Diesem Wesensinhalt der Selbstverwaltung entsprechend ist dieses Aufsichtsmittel mit der Beschränkung auf die Fälle „unbedingter Notwendigkeit“ in behutsamer Weise einzusetzen, indem - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität entsprechend - der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde Raum gelassen wird (Belehrung, Fristsetzung) und sie erst bei Erfolglosigkeit einschränkt.


?Die Ersatzvornahme kann nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Gemeinde eine ihr - durch Gesetz oder Verordnung - auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt. Dieser allgemein umschriebene Anwendungsbereich kann sich auf gesetz(verordnungs)widrige Maßnahmen oder auf rechtswidrig unterlassene (weil durch Gesetz gebotene) Maßnahmen beziehen, seien es solche in Gestalt von Rechtsakten (ausgenommen Bescheide) oder faktischen Gegebenheiten, und zwar jeweils ausschließlich bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches.
Bei den zu erfüllenden Aufgaben handelt es sich um alle Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Bereich der Hoheitsverwaltung (z.B. nach dem Straßengesetz 2005 oder dem Leichen- und Bestattungswesengesetz) als auch in jenem der Privatwirtschaftsverwaltung (hinsichtlich jener Aufgaben, zu denen die Gemeinde als Träger eigener subjektiver Rechte ausdrücklich gesetzlich verpflichtet ist).


?Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist (oder bei Gefahr im Verzug) ist die Aufsichtsbehörde neuerlich vor die Aufgabe gestellt, eine Interessensabwägung zwischen dem staatlichen Interesse auf Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Interesse der Gemeinde auf Wahrung ihrer Autonomie gewissenhaft vorzunehmen. Dies wirft die Frage auf, ob es - im Hinblick auf das Wort „kann“ - zulässig ist, als Ergebnis dieser Interessensabwägung in der Sache selbst inhaltliche Abweichungen vom gesetzlichen Auftrag vorzunehmen und schon in den zu erlassenden Bescheid aufzunehmen oder verneinendenfalls erst in Vollziehung des Bescheides durch die Aufsichtsbehörde. Dafür könnte sprechen, dass die Ersatzvornahme zwar auf die Fälle „unbedingter Notwendigkeit“ beschränkt ist, aber auch diesfalls erworbene Rechte Dritter zu schonen sind, sodass eine gleichsam eine dem verletzten Rechtsgut adäquate Notwendigkeit in der ersatzweise vorgenommenen Maßnahme innewohnen kann


Ersatzvornahme im Ermessen der Aufsichtsbehörde?
Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Aufsichtsbehörde im Falle unbedingter Notwendigkeit alle erforderlichen Maßnahmen an Stelle und auf Kosten der Gemeinde selbst treffen.
Das Wort „kann“ bringt zwar eine Ermessensentscheidung zum Ausdruck, zu der die Aufsichtsbehörde nicht verhalten werden kann. Zu bedenken ist allerdings, dass das Aufsichtsrecht ein Rechtsinstitut ist, das - so wie jedes andere rechtliche Handeln des Staates - unter der Herrschaft des Legalitätsprinzips steht. Demnach muss es das Ziel der Aufsicht sein, die Gesetzmäßigkeit der Gemeindeverwaltung sicherzustellen, hiebei aber auch das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung der Gemeinde zu wahren. Inwieweit das Aufsichtsrecht auf die Selbstverwaltung der Gemeinde Rücksicht zu nehmen hat, wird mit abgestuften Eingriffsmöglichkeiten zum Ausdruck gebracht. Sie sind ein deutlicher Hinweis auf die Adäquanz der einzusetzenden Aufsichtsmittel. Das Wort „kann“ ist nun Ausdruck der Verpflichtung der Aufsichtsbehörde, eine Interessensabwägung zwischen dem staatlichen Interesse auf Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Interesse der Gemeinde auf Ihre Autonomie gewissenhaft vorzunehmen. Aber auch die Begriffe „unbedingte Notwendigkeit“ und „alle erforderlichen Maßnahmen“ sind in diesem Lichte zu sehen.


Zulässig sind alle erforderlichen Maßnahmen
Unter „alle erforderlichen Maßnahmen“ sind alle tatsächlichen und rechtlichen Akte zu verstehen, die im Falle der Verletzung von Gesetzen und Verordnungen bei der Führung der Gemeindeverwaltung und im Falle der Nichterfüllung von Aufgaben, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist zur Herstellung des erforderlichen Rechtszustandes notwendig sind.
Dazu zählen insbesondere die ersatzweise Erlassung von Bescheiden (z.B. Anordnungen gem. § 28 Abs. 5 Baugesetz) und Verordnungen (z.B. die Änderung des Bebauungsplanes im Hinblick auf dessen Wirkung auf Baubewilligungen oder die im Hinblick auf die Abänderung des Entwicklungsprogrammes oder der Vollziehung von Landesgesetzen oder von Bundesgesetzen erforderliche Änderung des Flächenwidmungsplanes).
Die Ersatzvornahme wird aber auch dann zulässig zu sein, wenn jene Tatbestände vorliegen, die die Aufsichtsbehörde sogar zur Auflösung des Gemeinderates ermächtigen, weil in Beachtung des Subsidiaritätsprinzipes und des Gebotes, das Aufsichtsrecht mit den gelindesten Mitteln auszuüben, der schwerwiegendste Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde (Auflösung des Gemeinderates) vermieden werden kann.


Bei der Erlassung von Verordnungen im Wege der Ersatzvornahme ist zu beachten, dass zunächst der Gemeinde mittels Bescheides eine Frist zu setzen ist; im Bescheid ist ihr mitzuteilen, worin ihre Pflichtverletzung besteht und auf welche Weise ihr nachzukommen ist; darin sind auch in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen der Aufsichtsbehörde anzuführen, weshalb sie nach erfolgter Interessensabwägung zum Eingriff in die Selbstverwaltung der Gemeinde verpflichtet ist (gegen diesen Bescheid kann Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben werden). Erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist darf die Verordnung an Stelle der Gemeinde erlassen werden. Die Gemeinde kann diesen Eingriff in ihre Autonomie nur dann abwehren, wenn sie in Befolgung des ihr Verhalten vorzeichnenden Bescheides selbst diese Verordnung erlässt. Erst dann, wenn die Gemeinde dies unterlässt, kann die Aufsichtsbehörde wegen „unbedingter Notwendigkeit“ die „Gemeinde“verordnung erlassen.

Die „an Stelle“ der Gemeinde getroffene Maßnahme bleibt - obwohl sie von der Aufsichtsbehörde als einer staatlichen Behörde getroffen wird - eine solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde.


Kosten der Ersatzvornahme
Die Kosten der Ersatzvornahme hat die Gemeinde zu tragen. Die Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwandes der Aufsichtsbehörde sind allerdings nicht zu ersetzen. Wurde eine Ersatzvornahme zu Unrecht angeordnet, müssen der Gemeinde die Kosten ersetzt werden. Diesbezügliche Ansprüche können im Klagewege vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden.

Eine ähnliche Regelung gilt auch für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Bundesvollziehung:
Demnach hat die Aufsichtsbehörde, außer bei Gefahr im Verzug, der Gemeinde eine angemessene Frist zur Erfüllung des aufsichtsbehördlichen Auftrages einzuräumen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann die Aufsichtsbehörde im Rahmen des erteilten Auftrages ohne weiteres Verfahren auf Kosten und Gefahr der Gemeinde alles unternehmen, was zur Beseitigung der Mißstände oder zur Abwehr der Schädigungen unbedingt notwendig und unmittelbar dazu geeignet ist. Zur Erlassung von Bescheiden an Stelle säumiger Gemeindeorgane ist die Aufsichtsbehörde jedoch nicht berufen.