ERLÄUTERUNGEN

Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 2 StGG, Art. 7 B-VG) erachtet es der VfGH nur dann zulässig, Gemeinden gegen ihren Willen zu vereinigen, wenn die Vereinigung sachlich gerechtfertigt ist (VfGH Slg. 9814).

In diesem Erkenntnis hat der VfGH auch zur Frage Stellung genommen, ob es einer zweckmäßigen Gemeindestruktur extrem zuwiderlaufe, Gemeinden zu schaffen, die über kein geschlossenes Gebiet verfügen und ob der historische Gemeinde-begriff ein zusammenhängendes Gemeindegebiet voraussetze (§ 8 Abs. 5 lit. d ÜG 1920). Hiezu hat er folgendes festgestellt:

"Es trifft tatsächlich zu, daß die Bundesverfassung nicht das Gebot der räumlichen Geschlossenheit des Gemeindegebietes enthält. Ein derartiges Gebot enthalten die gemeindeverfassungsrechtlichen Vorschriften des B-VG (Art. 115 bis 120) weder explizit noch implizit. In der Literatur (Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechtes, New York 1972, S 75 f.) wird die Meinung vertreten, daß die im Art. 116 Abs. 1 B-VG geforderte Gliederung des Landesgebietes in Gemeinden nur dann klaglos erfolgen könne, wenn sich die einzelnen Gemeinden ohne Zwischenräume aneinanderreihen. Damit wird aber nicht dargetan, daß Art. 116 Abs. 1 B-VG ausdrücklich die territoriale Geschlossenheit des Gemeindegebietes vorschreibt oder daß dem in dieser Verfassungsbestimmung enthaltenen Gebot, jedes Land in Gemeinden zu gliedern und jedes Grundstück einer Gemeinde zuzuweisen, nur dann entsprochen werden kann, wenn das Gemeindegebiet zusammenhängt. Die Ausführungen Neuhofers laufen vielmehr darauf hinaus, daß es äußerst unzweckmäßig wäre, wenn das Gemeindegebiet räumlich nicht geschlossen ist. Aber auch wenn sohin der Bestand von Gemeinden, die über kein räumlich geschlossenes Gebiet verfügen, durch keine spezielle Verfassungsnorm verboten ist, ist eine Änderung der bestehenden Kommunalstruktur in der Weise, daß eine Gemeinde mit territorial nicht zusammenhängenden Gebieten geschaffen wird, verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist.
Auch aus § 8 Abs. 5 lit. d ÜG 1920, wonach sich die Grenzen der politischen Bezirke, der Gerichtsbezirke, der autonomen Bezirke und der Ortsgemeinden nicht schneiden dürfen, läßt sich das unbedingte Gebot der territorialen Geschlossenheit der Gemeinden nicht ableiten. Weder der Wortlaut noch der - etwa den Materialien entnehmbare - Zweck der B-VG Nov. BGBl. Nr. 205/1962 lassen erkennen, daß dadurch an dieser (bisherigen) Rechtslage etwas geändert werden sollte."

Es treffe aber auch nicht zu, daß die Bundesverfassung eine räumlich zusammenhängende Gemeinde voraussetzt:

"Die Gemeindegesetze (mit Ausnahme der Stadtstatuten) bezeichnen weder heute noch bezeichneten sie jemals das Gemeindegebiet näher, sondern begnügen sich und begnügten sich stets damit, auf den bestehenden Gebietsumfang zu verweisen oder diesen stillschweigend vorauszusetzen.
Wie aufgrund der Judikatur des VwGH aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des B-VG (zB VwSlg. 6425/1892, 7242/1893, 12635/1899) nachweisbar ist, bestanden damals Gemeinden, die über kein zusammenhängendes Gebiet verfügten. Dies wurde seinerzeit vom VwGH - unter Bezugnahme auf die Entwicklung des Gemeinderechtes - als gesetzmäßig erkannt. Der VwGH hat beispielsweise im Erk. VwSlg. 6425/1892 zum Hinweis der beschwerdeführenden Gemeinde, daß "in dem Wesen und Begriffe einer Gemeinde es gelegen ist, daß dieselbe ein zusammenhängendes und abgegrenztes Gebiet bilde", beigefügt:
"Es kann zugegeben werden, daß die topographische Getrenntheit jener Entitäten von dem übrigen Gemeindegebiete eine Anomalie darstellt; allein im Hinblicke auf den Wortlaut der cit. Gesetzesbestimmungen kann diese Anomalie nicht als eine Ungesetzlichkeit angesehen werden.
Der VfGH hat zwar bisher ständig judiziert (vgl. zB VfGH 3. März 1983 B640/81 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung), daß die Auflösung einer Kleingemeinde mit weniger als 1000 Einwohnern in der Regel sachlich ist. Er hat jedoch dargetan, daß diese Regel nicht absolut ist, sondern daß hievon Ausnahmen bestehen, und zwar für jene Fälle, in denen die Zusammenlegung der Kleingemeinde - mit welcher anderen Gemeinde immer - aufgrund ganz besonderer Umstände vorhersehbarerweise völlig untauglich war, das angestrebte Ziel einer Kommunalstrukturverbesserung zu erreichen . . . . . . oder für jene Fälle, in denen die Zusammenlegung der Kleingemeinde mit einer bestimmten anderen Gemeinde oder ihre Aufteilung auf mehrere bestimmte andere Gemeinden - beispielsweise aus geographischen Gründen unter Bedachtnahme auf das Bestehen öffentlicher Verkehrsverbindungen - voraussehbarerweise extrem unzweckmäßiger war als eine andere denkbare Zusammenlegung oder Aufteilung oder auch als das Belassen der Gemeinde.
An sich widerspricht es dem Ziel, eine Verbesserung der Gemeindestruktur zu bewirken, extrem, räumlich nicht geschlossene Gemeinden neu einzurichten.
 Würden häufig territorial nicht zusammenhängende Gemeinden geschaffen, so würden damit die Gemeinden geradezu chaotisch strukturiert und auf unterster Ebene eine Aufbauorganisation ins Leben gerufen, die es (nahezu) ausschließen würde, daß die von der Bundesverfassung den Gemeinden zugedachten Aufgaben ordnungsgemäß und zweckmäßig besorgt und die räumlich über den Gemeinden stehenden Verwaltungssprengel und Körperschaften iS der Verfassung (vgl. etwa § 8 Abs.5 lit. d ÜG 1920) eingerichtet werden.
Die ausnahmsweise, vereinzelte Neuschaffung einer Gemeinde mit nicht geschlossenem Territorium ist nur dann zulässig, wenn besondere Umstände dazu zwingen."