1) Dem Gemeinderat kommt im Hinblick darauf, dass er als "allgemeiner Vertretungskörper", der zur Wahrnehmung der Interessen der gesamten Bevölkerung der Gemeinde berufen ist und vom Gemeindevolk unmittelbar gewählt wird, eine überragende Bedeutung zu. Er ist in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde das oberste Organ. Dies ergibt sich aus Art. 118 Abs. 5 B-VG, wonach „der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes . . . und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde . . . . für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich“ sind. Oberstes Organ bedeutet gleichzeitig, dass es i.S. des § 73 AVG „sachlich in Betracht kommende Oberbehörde“ ist (VwSlg. 12.123A, VfSlg. 13304), d.h. also jene Behörde ist, die „bei Ausschluss eines ordentlichen Rechtsmittels durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können“ (VwGH 26.6.2002; 2002/21/0024).
Der Gemeinderat ist das einzige unmittelbar demokratisch legitimierte Kollegialorgan der Gemeinde (Art. 117 Abs. 1 lit. a B-VG). Durch die - ebenfalls vom Gemeindevolk zu erfolgende - Wahl des Bürgermeisters ergibt sich zwar keine weitere Rechtsfolge im Verhältnis zwischen Bürgermeister und den anderen Organen der Gemeinde, doch kommt dem Gemeinderat durch die sog. "Direktwahl des Bürgermeisters" und dessen politische Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeindevolk nicht mehr jene zentrale politische Rolle zu, wie sie vor der Gemeindeordnungsnovelle 1992 bestanden hatte. Gleichwohl wird im Sinne einer Generalklausel die Zuständigkeit des Gemeinderates für den Fall begründet, dass durch die Gemeindeordnung (oder durch ein anderes Gesetz) nicht ausdrücklich ein anderes Organ für zuständig erklärt wird und gleichzeitig im Sinne der Verwaltungsökonomie dem Bürgermeister und dem Gemeindevorstand ein Großteil der laufend im Verwaltungsgeschehen vorkommenden Aufgaben zur Vollziehung übertragen (§ 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 2). Im Hinblick darauf, dass der Gemeinderat das oberste Organ der Gemeinde ist, ist er auch befugt, Weisungen (Art. 20 Abs. 1 B-VG) an die Gemeindeorgane zu erteilen, um die Einheitlichkeit der Verwaltungstätigkeit zu sichern (VfSlg. 1677), die Aufsicht über alle Bereiche der Gemeindeverwaltung auszuüben und über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gemeindeorganen zu entscheiden (die Aufsichtsbehörden sind jedenfalls nicht befugt, hierüber zu entscheiden).
Eine besondere Bedeutung des Gemeinderates ergibt sich aus seiner ihm zustehenden "Budgethoheit". (S. hinsichtlich der damit verbundenen politischen Bedeutung ››››››››››).
2) Im einzelnen kommen dem Gemeinderat in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches folgende Aufgaben (auf Grund der Gemeindeordnung) zu:
A. Politische Willensbildung
- Wahl des Bürgermeisters in den im § 1 Abs. 4 GemWO genannten Fällen.
- Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes (§ 17 Abs. 2; § 82 GemWO).
- Bildung von Verwaltungsgemeinschaften (§ 21 Abs. 1).
- Überwachung der Geschäftsführung des Gemeindevorstandes (§ 23 Abs. 1)
- Beschluss auf Durchführung einer Volksabstimmung (§ 26 Abs. 1).
- Abberufung des Bürgermeisters durch ein Misstrauensvotum (§ 26 Abs. 3).
- Abberufung (fraktionell) der Mitglieder des Gemeindevorstandes (§ 26 Abs. 4)
- Wahl von Ausschüssen (§ 34; Prüfungsausschuss: § 78 Abs. 1)
- Verlangen auf Durchführung einer Volksbefragung (§ 52 Abs. 2 Z 1)
- Verlangen auf Durchführung einer Volksabstimmung (§ 54 Abs. 2 Z 1)
- Selbstauflösung des Gemeinderates (§ 93 Abs 2)
B. Gebietshoheit der Gemeinden
- Bildung von Ortsverwaltungsteilen (§ 1 Abs. 3)
- Antragsrechte an die Landesregierung hinsichtlich
- Änderung des Gemeindenamens (§ 2 Abs. 1)
- Verleihung des Rechtes zur Führung der Bezeichnung "Marktgemeinde" (§ 3 Abs. 1)
- Verleihung des Rechtes zur Führung der Bezeichnung "Stadtgemeinde" (§ 3 Abs. 2)
- Verleihung des Rechtes zur Führung eines Gemeindewappens und von Gemeindefarben (§ 4 Abs. 1 )
- Grenzänderungen (§ 7 Abs. 1)
- Vereinigung mit anderen Gemeinden (§ 8 Abs. 1)
- Trennung von Gemeinden (§ 9 Abs. 1)
- Vermögensauseinandersetzung bei Trennung einer Gemeinde (§ 11 Abs. 1).
- Bildung von Verwaltungsgemeinschaften (§ 21 Abs. 1)
C. Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung
- Haushaltsführung und Abgabenausschreibung (§ 1 Abs. 2)
- Festsetzung von Gebrauchsabgaben (§ 64 Abs. 2), Entscheidung über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes (§ 65 Abs. 6)
- Beschlussfassung über den Voranschlag (§ 68), Dienstpostenplan (§ 68 Abs. 2 Z 4), Voranschlagsprovisorium (§ 69 Abs. 1), Nachtragsvoranschlag (§ 70) und Rechnungsabschluss (§ 75)
D. Behördliche Aufgaben, Verfahrensrecht
- Erlassung von Verordnungen aufgrund des Artikels 18 Abs. 2 B-VG
- Erlassung von selbständigen Verordnungen (§ 59)
- Widmung von Grundstücken in das öffentliche Gut; Entwidmung aus dem öffentlichen Gut (§ 64 Abs. 1)
- Abänderung und Behebung von Bescheiden von Amts wegen (§ 68 AVG)
- Entscheidungspflicht gem. § 73 AVG
- Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters (§ 83)
- Recht der Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof (§ 94 Abs. 3)
- Antragsrecht an die Landesregierung auf Übertragung der Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereiche der Landesvollziehung auf eine staatliche Behörde (§ 58 Abs. 4)
- Ausschluss der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen (§ 44 Abs. 1)
- Bestellung des Schriftführers, sofern nicht der leitende Amtmann oder ein anderer Gemeindebediensteter mit der Abfassung der Verhandlungsschrift betraut wird (§ 45 Abs. 3)
- Erlassung einer Geschäftsordnung des Gemeinderates (§ 46)
- Handhabung des Dienstrechtes (§ 25 Abs. 2 des Gemeindebedienstetengesetzes 1971); Erstellung des Dienstpostenplanes, Anstellung der Gemeindebeamten, Beförderung in eine höhere Dienstklasse, Disziplinarbehörde.
- Erhebung von Beschwerden gegen aufsichtsbehördliche Bescheide an den Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof (§ 94 Abs. 3).
- Anfechtung von Verordnungen der Gemeindeaufsichtsbehörde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 139 Abs. 1 B-VG).
3) Die Beschlüsse des Gemeinderates werden durch den Bürgermeister, der gleichzeitig deren Gesetzmäßigkeit zu prüfen hat, durchgeführt. Erachtet er ein Gesetz durch einen Beschluss des Gemeinderates als verletzt, dann hat er das im § 27 Abs. 2 beschriebene Verfahren durchzuführen. Darüber hinaus unterliegen alle Beschlüsse des Gemeinderates im Hinblick auf deren Gesetzmäßigkeit der Kontrolle der Aufsichtsbehörde. Bezüglich der nach dem Volksrechtegesetz zu behandelnden Beschlüsse des Gemeinderates s. ››››› und ››››› und ››››› und ››››› und ››››› und ›››››